Donnerstag, 20. Januar 2011

pis zum pitteren ende

Weil ich es gerade mal an anderer Stelle brauche, hier mal ein paar, wenn auch leicht aufgeregte, Worte zum Thema politisches Kabarett in Deutschland, geäußert im Sommer 2008.

Das "politische Kabarett" im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist doch in weitesten Teilen ausschließlich eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für linksreaktionäre Langweiler und IG-Metall-Parolendrescher, die keiner mehr hören will, weil sie seit 1972 dasselbe erzählen, und für völlig unlustige Knalltüten wie Mathias Richling. Die Leute, die wirklich intelligenten politischen Humor machen, könnten auch ohne
Staatssubventionierung überleben; eventuell sogar besser als jetzt, weil ihnen die mundbeatmeten Altlasten nicht mehr mit Hilfe ihrer Fernsehpräsenz das Livepublikum wegzögen.

Vollends unsympathisch wird mir der ganze Laden, wenn ich mir ansehen muss, welches Meinungsmonopol die antiamerikanische Hetze von solchen Leuten wie Hagen Rether und Volker Pispers im staatlich geförderten Kabarettbetrieb zu haben scheint. Ein bisschen Pluralismus wird man doch von staatlicher Kulturförderung erwarten können. (Warum sind die Kabarettisten im öffentlich-rechtlichen Funk praktisch ausschließlich weiße Männer ohne Migrationshintergrund? Weil sie so ein linkes, emanzipatorisches Projekt verfolgen? Was hämmr glacht.)

Im Bereich Comedy hingegen gibt es Leute, die wirklich breite Bildung, Feinsinn und politischen Witz haben (z.B. Dieter Nuhr) und damit Erfolge feiern, ohne dass sie in jedem Scheibenwischer schlecht gereimte Lieder über die Rente mit 67 singen.

Das altväterliche Witzeerzählen, das du meinst, bringen eher solche Leute.

Und halt Mario Barth. Aber der ist weder Kabarettist noch Comedian, der ist der Weg in den Faschismus.

Die Leute, über die ich mich beschwere, haben fossilste SPD- und Gewerkschaftspositionen. Die würden mit Freunden zehn Millionen Chinesen verhungern lassen, wenn es für zehntausend deutsche
Metallfacharbeiter den Flächentarif sichert. Mit linker Politik, also mit emanzipatorischer Politik für alle Menschen, hat das nichts zu tun, genausowenig wie das Geheule um die angebliche Zerschlagung von
sozialen Sicherheitssystemen, die doch ohnehin hauptsächlich der Nivellierung der Wohlstandsverhältnisse innerhalb der Mittelschichten dienen und im langjährigen Mittel den Stärksten niemals nennenswert etwas weggenommen und den Schwächsten niemals nennenswert etwas gebracht haben. Ich habe gesehen, wie im alten BSHG, das sich die Leute, die Hartz IV jetzt rückabwickeln wollten, wahrscheinlich zurückwünschen, entmündigte Schwerstalkoholiker rationiert das Totsaufen bezahlt bekamen, ohne dass es irgend jemanden interessiert hat; ich habe keine Illusionen.

Ich lasse mich gerne belehren, dass es im deutschen Kabarettestablishment Leute gibt, die mehr können als sich einen Wischmopp auf den Kopf binden und behaupten, das sei eine Merkel-Parodie, oder sich daran ergötzen, dass das aus Studienräten und frühpensionierten Bauamtssachbearbeiterinnen zusammengesetzte Publikum es schon schlechthin lustig findet, wenn jemand "Westerwelle" sagt. Aber immer wenn ich mich mal zusammennehme und mir anschaue, was die so hinbringen, kommt da nichts, was auch nur annähernd vermuten ließe, dass da jemand mal radikal Kritik übt oder auch wenigstens Tacheles redet darüber, was in dieser Gesellschaft wirklich kaputt ist, zum Beispiel das Einreißen entmenschlichender Diskurse über Arme, über Ungebildete, über Dicke, über "Leistungsverweigerer", über "die falschen Leute", die angeblich die Kinder kriegen, und die faschistoide Demographiedebatte, über den neuen Antisemitismus, über den alten Rassismus, über die Sozialselektion im Bildungssystem, über die Kollateralschäden der neuen bürgerlichen Restauration ganz allgemein -- oder auch nur, dass da jemand wirklich mal einen lustigen Witz macht, oder dass jemand mit seinem "politischen Kabarett" mal wirklich versucht, die Leute zu erreichen, um die es angeblich geht, auf die Gefahr hin, dass das Publikum aus dem öffentlichen Dienst, mit dem man sich mit diesem ganzen Passatfahrer-Protektionismus über all die Jahre angebiedert hat, sich mit Grausen abwendet von den Arschgeweihträgern.

Bei dem, was da realiter geboten scheint, höre ich mir doch lieber Degenhardt oder Hüsch von vor 40 Jahren an, mal ganz ehrlich; das erscheint mir progressiver.

2 Kommentare:

  1. Ein prägnanter Überblick, lesefreundlich formuliert und mit einem für mich überraschenden Ende.
    Mich interessiert Deine Meinung zu "Harald Schmidt" (damals wohl auch 'mal im öffentlich-rechtlichen), vor allem aber zum aktuellen Erwin Pelzig.

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  2. Zu beiden kann ich wenig Kompetentes sagen, ich sehe eigentlich überhaupt kein deutsches Fernsehen, weder direkt noch per Internet. Der Text dieses Artikels ist ja auch, wie oben angedeutet, nahezu drei Jahre alt.

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