Im rappelvoll mit Pfadfinder/innen gestopften Regionalzug von Kassel nach Frankfurt durfte ich während meiner gesamten Mitfahrt unter anderem ein sehr fragwürdiges Verhalten der Betreuer/innen erleben. Ist es nicht gegen alle Prinzipien dieser Organisation, wenn Pfadfinder sitzen und alte Menschen und schwangere Frauen daneben stehen müssen? Dass die ganze hundertköpfige Meute in Marburg anscheinend den Bahnsteig (und nicht z.B. einen Parkplatz) als Treffpunkt mit den abholenden Eltern vereinbart hatte, spricht zudem nicht für die logistische Kompetenz, die der Name »Pfadfinder« vermuten ließen.
Schwerer wiegt, dass das Ganze zum Anlass für einen wackeren Vollproleten aus der Magdeburger Börde und einen Artgenossen aus Frankfurt am Main (beide mit schwangerer Partnerin am Start) wurde, sich im ostentativ sozial möglichst unverträglichen Reagieren auf diese Situation zu messen. Trotz eindeutigen durchgehenden Vorsprungs des Frankfurters in der Gewaltbereitschaftswertung (»den hätte isch getötet«) konnten der Sachsen-Anhaltiner und seine Partnerin gegen Ende neue Reserven mobilisieren und durch Rassismus (»guck mal, 'n Schwarzfahrer«), Antisemitismus (»sonst wer'n se erschossen wie de Jud'n«) und Homophobie (»was 'n dit für 'ne Schwuchtel?«) punkten. In der Dummheitswertung ansonsten gleichauf, zeigte sich der Salzlandkreis damit insgesamt der Planungsregion Rhein-Main klar überlegen. Nachhaltigen Unterhaltungswert entfaltete eine Einlage, in der der erheblich Altmärkisch sprechende Bördebewohner den thüringischen Dialekt einer Neudietendorfer Bahnhofsaufsicht zu veralbern versuchte.
Auf dem Weg von Marburger Bahnhof nach Hause durfte ich dann noch ein paar Leute bewundern, die ihren Kleinwagen völlig ohne Not quer auf dem neuen Geh- und Radweg neben der Güterhalle geparkt hatten und anscheinend gerade darüber diskutierten, ob man da jetzt nicht stehenbleiben könnte. Ich glaube, ich werde jetzt erst einmal leise ein wenig weinen.
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