Ich gehe zum Mittagessen in die Mensa. Davor: Große handgemalte Transparente, rhythmisches Getrommel auf leere Chemiefässer, ein mickriger Sprechchor: »Keinen Cent und keinen Mann für das deutsche Kriegsprogramm!«. Wie aus der Zeit gefallene Siebziger-Jahre-Agitatoren, natürlich keine Frau dabei. Jemand verteilt eng bedruckte A4-Flugblätter. Beim Trommeln plötzlich ein Gequäke dazwischen, ich sehe, dass tatsächlich allen Ernstes da jemand eine Schalmei hat und auf dem Boden noch ein paar davon liegen, von der größeren, tieferen Sorte sogar. Auf dem Rückweg lautsprecherverlesene Reden, die sich wiederholen, da wird immer derselbe Text abgelesen. Der Herr, der die Flugblätter verteilt, sieht mit seiner Mütze, seinen schütteren grauen Haaren und der Aktentasche so aus, als sei er ein alter K-Gruppen-Hengst. Das Ganze wirkt geradezu gespenstisch, nicht einmal in Marburg lockt man mit so etwas noch jemanden hinter dem Ofen hervor.
Heute Abend sehe ich in der Uni eines der Flugblätter aus der Nähe. Es ist die Rede von einer landesweiten Aktion für Klassenkampf mit fünf fahrenden Theatern, ich vermute mittlerweile fast ein Satireprojekt hinter alledem. Ganz unten auf dem Blatt: das Logo der FDJ.
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