Donnerstag, 30. Dezember 2010

briefe an meine nichtleser ii

Lieber Werner Girgert,
Sie sind laut Ihren Vortragsplakaten Stadtsoziologe und Journalist. Die Entwicklung Marburgs beschäftigt Sie besonders. (Ich finde es übrigens prinzipiell durchaus einen Glücksfall, dass eine so kleine Stadt wie Marburg einen eigenen Experten für ihre Soziologie hat.) Auf einer Bürgerversammlung anlässlich der Bauprojekte im Nordviertel trugen Sie sinngemäß vor, man müsse den Leuten doch die Wahrheit sagen, dass in zehn Jahren angesichts der galoppierenden Gentrifizierung kaum jemand mehr, der heute hier wohnt, noch hier wohnen, und es kaum ein Geschäft, das es heute in der Bahnhofstraße gibt, noch dort geben würde. Zu nobel und bonzig würde das neue Nordviertel. Auf einer anderen Bürgerversammlung anlässlich des geplanten Einkaufszentrums in der Universitätsstraße äußerten Sie nicht nur den Verdacht, die Marburger Einzelhandelsstudie sei im Sinne des Investors manipuliert worden, sondern Sie trugen sinngemäß vor, man müsse den Leuten doch die Wahrheit sagen, dass das Nordviertel und die Bahnhofstraße durch diese Entwicklung veröden und verarmen würden.
Wie denn nun? Und was wird aus den drei Juwelieren und dem besten Marburger Herrenausstatter, die alle in der »armen« Bahnhofstraße zu Hause sind? Bekommen sie Gesellschaft von Gucci, Prada und noch mehr Feinkostgeschäften, oder werden sie durch das Gutenberg-Center in den Ruin getrieben? Wenn jemand die Antworten hat, dann doch Sie. Man muss den Leuten doch die Wahrheit sagen.
Viele Grüße,
m.

1 Kommentar:

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